Dieser Text wurde im Rahmen des Arbeitsintegrationsprogramms von Parterre Tangram von einer am Programm teilnehmenden Person recherchiert, verfasst und auf der Website publiziert.
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Am Sonntag ist es genau 50 Jahre her, dass in einer Abstimmung das Stimmrecht für Frauen in der Schweiz angenommen wurde – es war heiss umkämpft und längst überfällig. Vieles hat sich seither gottseidank geändert und verbessert, aber auch in der Schweiz hinkt die gesellschaftliche Gleichstellung von Mann und Frau noch anderen Ländern hinterher. Dieser Text berührt vermutlich gerade einmal die oberste Spitze des Eisbergs, kann aber hoffentlich zum Denken anregen, was die Situation der Frau in der Schweiz angeht. Die Gesellschaft hat sich seit den 1970er Jahren verändert, ist flexibler und offener geworden. Doch muss auch zugeben, dass in der Schweiz durchaus immer noch ein traditionelles Rollenverständnis in unterschiedlichen Ausprägungen vorherrscht.So ist in einer Familie grundsätzlich immer noch die Frau verantwortlich für Hausarbeit und Kinderbetreuung, während der Mann als Hauptverdiener der Familie angesehen wird. Es ist inzwischen statistisch erwiesen, dass dieses Rollenverständnis Auswirkungen auf die Gleichheit in Lohn und Arbeit hat. So werden Frauen häufig damit konfrontiert, dass sie Familie und Beruf unter einen Hut bringen zu müssen, während Männer davon kaum betroffen sind und grundsätzlich weiterhin Vollzeit arbeiten können. So sind Frauen überproportional häufig in Teilzeitanstellungen zu finden, und leisten daneben unbezahlte Hausarbeit, kümmern sich um die Kinder und oft genug auch noch um die unentgeltliche Care-Arbeit für Angehörige. Um einmal vor Augen zu führen, welchen Wert diese unbezahlte und unentgeltliche Arbeit hat: Schätzungen zufolge wird sie auf 248 Mia. pro Jahr beziffert – mehr als Bund, Kantone, und Gemeinden jährlich zusammengezählt ausgeben. Eine Frage, die wir uns stellen müssen ist, welchen Wert diese Art von Arbeit in unserer Gesellschaft hat, und warum bei uns immer noch der Grossteil von Frauen gemacht wird. Immerhin wurde unter anderem genau auf diese Situation beim Frauenstreik 1991 aufmerksam gemacht, und beim Frauenstreik 2019 erneut dran erinnert, dass sich diesbezüglich nicht genug geändert hat. Daneben wurde auch gestreikt, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Doppelbelastung Familie und Beruf für viele Frauen auch finanzielle Auswirkungen hat. So büssen viele Frauen in den ersten 8 Jahren nach der Geburt eines Kindes bis zu 70% ihres Bruttolohnes ein, wie aus einer aktuellen Studie der Uni Bern hervorgeht – einer der Hauptgründe ist, dass Frauen die Partizipation am Arbeitsmarkt reduzieren für die Kindererziehung, d.h. entweder steigen sie ganz aus oder sie reduzieren ihr Pensum. Und diese Reduktion wird von Frauen in der Gesellschaft praktisch vorausgesetzt, wenn sie Kinder erwarten. Männer hingegen sehen sich kaum dem gleichen Druck ausgesetzt, und sie haben auch kaum mit den gleichen Folgen zu rechnen, weder kurz- noch längerfristig. Aus diesem Ungleichgewicht ergeben sich noch andere Probleme – laut Statistiken sind Frauen signifikant häufiger von Armut betroffen, sei es im Alter oder nach einer Scheidung wenn sie das Sorgerecht für die Kinder bekommen. Die NZZ nennt es in einem aktuellen Artikel zu Recht "Mutterschaftsstrafe". Vielleicht würde ein Blick in die nordischen Staaten helfen, die einen anderen Weg eingeschlagen haben. Einerseits ermöglichen sie durch staatlich subventionierte Kinderbetreuung, etwa staatliche Krippen, dass Frauen wesentlich schneller wieder zurück in eine Vollzeitanstellung kommen und so auch wesentlich weniger Lohneinbussen im gleichen Zeitraum einstecken. Daneben hat sich dort auch gezeigt, dass eine Reduktion der Arbeitszeit bei gleich bleibendem Lohn auch zur Folge hat, dass die Hausarbeit gleichmässiger und gerechter unter den Partnern aufgeteilt wird. Dadurch würde die Hausarbeit indirekt bezahlt und damit aufgewertet. Im Paseo wollen wir gerade auch Frauen mit Migrationshintergrund eine Möglichkeit bieten, Fuss zu fassen im Schweizer Arbeitsmarkt, deshalb sei hier ein Blick auf ihre Situation gegeben. Denn Frauen mit Migrationshintergrund stehen in der Schweiz vor vielen Herausforderungen, nicht zuletzt Mehrfachdiskriminierungen auf Grund ihrer Herkunft und ihres Geschlechts. So zeigt eine aktuelle Studie der Abteilung Gleichstellung von Frauen und Männern des Präsidialdepartements des Kt. Basel-Stadt, dass Migrantinnen oft Arbeit in Branchen mit einem überproportionalen Anteil an Tieflöhnen und prekären Arbeitsverhältnissen finden. D.h., sie werden oft in sogenannt typisch weiblichen Arbeitsbereichen angestellt, wie etwa Betreuungs- und Hausarbeit (Care-Arbeit), und sind dadurch besonders armutsgefährdet. Dabei leisten gerade jene Frauen einen beträchtlichen Beitrag zur Gesellschaft, da ohne sie besonders die Bereiche Pflege und Betreuung nicht mehr funktionieren würden – schlecht bezahlt und oft nur unzureichend am Arbeitsplatz geschützt. Auch hier stellt sich die Frage, welchen Wert diese Arbeit in unserer Gesellschaft hat, wenn wir Menschen mit Migrationshintergrund unter solchen Bedingungen arbeiten lassen. Gerade deshalb liegt uns unser Projekt des Schulungsrestaurants sehr am Herzen, da es eine Möglichkeit bietet, solche Benachteilungen für Frauen mit Migrationshintergrund zumindest zu einem Teil zu verringern und ihnen eine bessere Chance auf dem Arbeitsmarkt zu geben. Die Zukunft gehört den Frauen! |
Quellen:
BfS – Bereich "Gleichstellung von Frau und Mann" (u.a. ausführliche Statistiken zum Thema Vereinbarkeit Beruf und Familie, unbezahlte Arbeit und Löhne)
Eidg. Kommission für Frauenfragen EKF
NZZ: Serie 50 Jahre Frauenstimmrecht