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Wissenswertes: ATFD - Tunesien's Frauen machen sich stark für die Demokratie

Dieser Text wurde im Rahmen des Arbeitsintegrationsprogramms von Parterre Tangram von einer am Programm teilnehmenden Person recherchiert, verfasst und auf der Website publiziert.

Auf der Website von Parterre Tangram findet Ihr noch mehr Informationen zu unserer sozialen Arbeit.


Im Rahmen unserer kleinen Portrait-Reihe zum Thema Frauenrechte im Mittelmeerraum möchten wir heute eine Bewegung vorstellen, die sich in Tunesien für die Rechte der Frauen stark macht – die Association tunisienne des femmes démocrates (ATFD). Um die aktuelle Situation der Frau in Tunesien und die Arbeit der ATFD besser zu verstehen, braucht es einen Blick in die neuere Vergangenheit des Landes. Association tunisienne des femmes démocrates (ATFD)

Tunesien erlangte 1956 die Unabhängigkeit von Frankreich nach Aufständen und Unabhängigkeitsbestrebungen der Bevölkerung. Bei den ersten freien Wahlen in März 1956 gewann die Neo Destour Partei die absolute Mehrheit, und Habib Bourguiba wurde zum Premierminister ernannt.

Unter Bourguiba wurde Tunesien zu einer Republik ausgerufen, Programme etabliert für Stabilität und wirtschaftlichen Fortschritt, der fundamentalistische Islam zurückgedrängt, und vor allem aber auch die Rechte der Frauen im Land in der Verfassung verankert — im sogenannten „Kodex des persönlichen/personengebundenen Status“. Unter anderem brauchte es nun auch die Zustimmung der Frau zur Hochzeit, das Mindestalter wurde festgesetzt, Polygamie verboten, und die Ehepartner im Haushalt rechtlich gleichgestellt.

Bis heute wird dieser Kodex in Tunesien mit einem Feiertag geehrt.

Seither gab es Reformen, um diesen Kodex der Zeit anzupassen, wobei es jedes Mal grosse Debatten gibt zwischen Progressiven und Konservativen, die sich auf die Scharia und das islamische Recht berufen. Damit ist der Kampf um die rechtliche Gleichstellung der Frau in Tunesien noch ein langer Weg, und die gemachten Schritte immer wieder bedroht.

Und genau hier kommt die ATFD in Spiel.

Der Verband entstand durch den Zusammenschluss bereits bestehender feministischer Gruppierungen, offiziell gegründet am 6. August 1989. Sie sind heute eine staatlich unabhängige Institution, gewürdigt mit mehreren internationalen Preisen, wie dem Prix des droits de l’Homme de la République française oder dem Prix Simone de Beauvoir pour la liberté des femmes.

Sie halten nicht zurück mit Kritik am Einfluss der Religion auf das gesellschaftliche Leben, oder am teilweisen Versagen der Demokratie, und vor allem die Verletzungen der Rechte der Frauen im Land. Daneben ist die ATFD sehr aktiv in der Gesellschaft — so war es unter anderem ihnen zu verdanken, dass 2004 ein Gesetz gegen sexuelle Gewalt in das tunesische Gesetz aufgenommen wurde.

Die ATFD war auch massgeblich beteiligt an der Revolution, die 2011 in Tunesien ihren Anfang nahm, und sich über den gesamten arabischen Raum ausbreitete. Die Revolution war eine Chance, einen weiteren Schritt für die Rechte der Frauen zu machen, echte rechtliche Gleichstellung zu erreichen. Allerdings hat sich diesbezüglich wenig getan seither.

Heute kämpft die ATFD darum, dass ein Gesetz dem Parlament vorgelegt wird, das der tunesischen Frau die gleichen Erbrechte einräumt wie einem Mann — bis heute erbt sie nur die Hälfte dessen was er bekommt. Da momentan eine eher konservativ eingestellte Regierung an der Macht ist, deren Präsident sich kürzlich gegen dieses neue Erbrecht ausgesprochen hat, wird dies vermutlich ebenfalls ein langer Kampf.

Und sie bieten auch allen Frauen Unterstützung, die durch die Corona-Pandemie in einer schwierigen Situation sind.

Aber die ATFD ist hartnäckig.

Und das ist gut so.


 

FB: https://www.facebook.com/femmesdemocrates/


05.11.2020

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